Hanns-Dieter Hüsch
Engel gefällig?
Haben Sie schon mal einen Engel gesehen? Noch nie? Im Schaufenster bei Adam & Cie steht einer.
„Ich bin der Engel Fritz Habermann“, sagt er immer. „Ich lache alle Leute an, treten Sie näher, treten Sie ran, an mir ist noch ne Menge dran.
Ich habe zwei Flügel, wie Sie sehn, damit kann man fliegen, wenn die Füße nicht mehr gehn, doch wenn die Flügel eines Tages auch nicht mehr gehn, kann man immer noch in so einem Schaufenster stehn.
Leihweise. Pst. Leise!
Da kommt der Juniorchef. Der Dicke da. Der sagt immer, ich sähe aus wie Tommy Gottschalk. Meinen Sie, der glaubt an Gott? Nicht die Spur. Weihnachtssaison!
Der Einzelhandel soll übrigens nicht zufrieden sein. Nach Neujahr muss ich wieder hier raus, ohne Geld, ohne Applaus schlagen sie mich in die Flucht, war nett von dir, du warst ne Wucht, bis nächstes Jahr.
Alle Jahre wieder. Engel sind so rar.
Und dann steh ich da, direkt auf der Straße, ohne alles, und warte auf den Sommer. Im Sommer ist Kirmes. Da stehe ich als Säule bei den Elektro-Selbstfahrern, neben einer Hammelkeule, die von einem Germanen gefressen wird.
Im Herbst friere ich und freue mich auf Weihnachten. Dann werden meine Flügel neu gestrichen. Und Adam junior sagt, wie Tommy Gottschalk.
Alle Jahre wieder. Man gewöhnt sich dran. Auch an mein falsches Haar, und ich habe nur vier Finger.
Aber Engel sind ja so rar.“